Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Einleitung

Modulation bedeutet ein tonales Zentrum zu verlassen und ein neues zu etablieren. Die Musik beginnt in einer Tonart und gelangt irgendwie in eine andere, die dann so bestätigt wird, dass sie als "Zuhause" erlebt wird - oft ohne dass der Hörer merkt, wie er dorthin geführt wurde.
Da es viele Wege gibt, von einer Tonart in eine andere zu gelangen, ist Modulation wirklich kein einfaches Thema.
Wenn man sich aber intensiver damit befasst, lernt man unweigerlich mehr über Harmonielehre, als wenn man etwa nur Kadenzen übt.

In manchen Publikationen wird sie etwas stiefmütterlich behandelt. Das wird daran liegen, dass man tatsächlich nur eine Kadenz in einer, und dann in einer anderen Tonart spielt, und dazwischen einen irgendwie krativ gestalteten Übergang. Diese Kreativität zu entwickeln obliegt dem Lehrer am Konservatorium und der Arbeit im "stillen Kämmerlein".

Hier würde ich mich dem Thema gerne übend nähern und versuchen, Beispiele zum Üben anzubieten. Man kann die Beispiele am Tasteninstrument nachspielen, oder versuchen, Stücke mit schlüssigen Modulationen zu schreiben.
Besonders hier gilt wieder meine Bitte, sich mit Kritik zu melden, falls im Folgenden etwas steht, was nicht richtig ist, da ich alles mindestens abgewandelt, die meisten Beispiele aber selbst entworfen habe.

Die Notenbeispiele und die Einteilung in die folgenden Abschnitte basieren auf zwei Büchern:
"Die wichtigsten Regeln des funktionellen Tonsatzes" von Hermann Grabner, einem offenbar nur noch antiquarisch erhältlichem Heft, das neben sehr komprimiertem Text eine Beilage mit Notenbeispielen enthält.
"Der Musikalische Satz", im Helbling Verlag herausgegeben von Walter Salmen und Norbert J. Schneider, ein umfangreiches Lehrbuch für Schüler in Musik-Leistungszügen an Gymnasien und Musikstudenten, welches das Thema ausführlich, aber eben auch wissenschaftlich behandelt.

Wer muss das lernen?

Komponisten, die sich im dur-moll-tonalen Raum bewegen modulieren - das gehört zu ihrem Job. Musikstudenten müssen zu Recht Aufgaben zum Thema erledigen, denn wer Stücke interpretiert oder unterrichtend weiter vermittelt, sollte sie auch verstehen. Ob es gut ist, dass Modulation auch im Gymnasium auf dem Lehrplan steht, sei mal dahingestellt.

Man kann leicht kritisieren, dass die Vermittlung des Themas zu akademisch oder schematisch stattfindet. Andererseits wird bei dieser Thematik auch deutlich, dass "musikalische Begabung" ein Begriff mit großer Tiefe ist: was dem einen zufällt, muss sich der andere hart erarbeiten, obwohl er vielleicht kein schlechter Musiker ist. Iwan Knorr zitiert im Vorwort seiner "Aufgaben für den Unterricht in der Harmonielehre" (1918) den Komponisten Johannes Brahms so: Ach was, Harmonie! Das kann man so - oder man lernt es doch nicht!

Um es anders zu formulieren: wer viele Übungen zu so einem Thema macht, wird sich dadurch kaum Kreativität erkaufen können, aber dümmer wird er auch nicht. Und wenn tatsächlich gilt "Kunst kommt von Können", müsste Fleiß die Chancen erhöhen.

Wo wird moduliert?

Modulationen brauchen schon etwas Raum. Im einfachen Lied gibt es mal einen kurzen Schlenker in die Tonart der Dominante, der sofort wieder rückgängig gemacht wird und deshalb auch "Ausweichung" heißt. In Chorälen von Bach wird häufig moduliert: oft endet jede Choralzeile auf einer der Haupt- oder Nebenfunktionen oder in einer der direkt benachbarten Tonarten.

Ausweichung

So etwas passiert in vielen Volksliedern: über die Doppeldominante gibt es eine kurze Ausweichung in die Tonart der Dominante, deren Tonika wird dominantisiert, und somit geht es wieder zurück in die Ausgangstonart.

Wirklich ernst wird es aber in der klassischen Sonate bzw. Symphonie, denn da die Formabschnitte in verschiedenen Tonarten stehen, muss der Komponist modulieren. Natürlich tut er das auch mit Genuss im langsamen Satz, und an klassischen Rondi ist ein Teil des Spaßes, dass man permanent an der Nase, pardon: den Ohren herumgeführt wird.
Auch in so gut wie jeder Musik, die aus dem Radio dudelt wird moduliert.

Um eine Modulation zu analysieren oder selbst zu machen wäre als Rüstzeug ein wenig Können in Sachen Kadenzspiel, inklusive Trugschluss und erweiterter Kadenzen nicht schlecht. Wie man den Dominantseptakkord korrekt auflöst und eine Subdominante mit sixte ajoutée einflicht darf man auch geübt haben. Schließlich möchte man zunächst ja die Ausgangstonart darstellen, dann die Schaltstelle finden, die in beiden Tonarten Sinn ergibt, und dann noch überzeugend die neue Tonart umreißen.

Beginnen wir nach langem Vorgeplänkel mit der direkten diatonischen Modulation:

Diatonisch modulieren

Überschneidung zweier Tonarten

Bei der direkten diatonischen Modulation ist beiden Tonarten ein Akkord gemeinsam. In der Grafik rechts habe ich ein blaues Rechteck um Haupt- und Nebenharmonien von C-Dur, und ein grünes um D-Dur gezeichnet. Der G-Dur-Akkord ist in der einen Tonart die Subdominante, in der anderen die Dominante.

Diatonisch heißt diese Art der Modulation, weil nicht mit chromatischen Alterierungen oder enharmonischen Umdeutungen gearbeitet wird. Die Stimmen bewegen sich ohne diese Mittel von A nach B. Direkt heißt sie, weil sie ohne Zwischenschritte auskommt.

Würde z.B. ein A-Moll-Akkord gespielt, danach dessen c zum cis hochalteriert und der nunmehr entstandene A-Dur-Akkord als Dominante in einer Modulation genutzt, wäre dies eine chromatische Modulation.
Würde der Klang c-e-g-b, C7, enharmonisch umgedeutet in c-e-g-ais, also Fis5♭79♭ und entsprechend weitergeführt, wäre dies eine enharmonische Modulation.
Würde zunächst von C-Dur nach A-Dur und dann nach Fis-Dur moduliert, wäre es keine direkte Modulation von C nach Fis.

Hermann Grabners Beispiele hierzu gehen jeweils über zwei Stellen im Quintenzirkel. Grundsätzlich wird beim Modulieren im Quintenzirkel aufwärts (weniger s, mehr Kreuze) die Subdominante der Zieltonart angesteuert, weil sie ja vom Ziel aus gesehen "in die - Richtung zeigt", und in der Gegenrichtung die Dominante der Zieltonart, denn sie gehört in der Zieltonart den "Kreuzregionen" an.

Vor und nach jeder Modulation sollte die jeweilige Tonart durch eine Kadenz ordentlich bekräftigt werden. In den folgenden Beispielen gibt es also immer eine Ausgangskadenz, die Modulation an sich, und eine Kadenz in der Zieltonart zum Schluss. Auch wenn diese in den Notenbeispielen recht kurz gefasst sind, darf man am Instrument gern quasi improvisierend mehr oder weniger ausufernde erweiterte Kadenzen einfügen.

Umgang mit den Beispielen

Einige Beispiele sind eng an Hermann Grabner angelehnt (konkret stehen bei ihm nur Entsprechungen zu Beispiel 2 und 8). Manche habe ich auch in anderen Lagen gesetzt, die sich nicht bei ihm finden. Die übrigen zeigen einfachere oder andere Möglichkeiten auf, und haben nur den Wert von Anregungen. Jeder kann sich ohne Ende weitere Modulationen ausdenken und üben.
Beim Verfassen dieser Abschnitte habe ich viele Beispiele rund um den Quintenzirkel geübt, um sie hinterher aufzuschreiben.

Damit man die Noten einfach ans Klavier oder zum Notenständer tragen kann, findet sich am Ende der Abschnitte ein Link zu einer PDF-Datei mit den Beispielen für Tasteninstrumente und Gitarre.

Probleme bei den Beispielen auf der Gitarre

Kadenzen auf der Gitarre zu spielen ist schon anstengend - das wird bei Modulationen kaum einfacher werden. Stimmbewegungen zu verfolgen, zu beurteilen ob ich gerade verbotene Parallelen spiele oder nicht - diese Dinge sind auf Tasten leichter zu beobachten als auf einem Griffbrett, dass einen zwingt, Lagen zu wechseln und Bässe zu oktavieren, um die Sachen überhaupt möglich zu machen.

Manche Akkorde sind nur mit Verrenkungen zu spielen oder indem man einzelne Töne aus- oder früher loslässt. Dadurch entsteht natürlich eine Pause, die Tastenspieler nur belächeln können. Einige Beispiele:

G 56 geht nicht

Der G-dur-Akkord mit der nachschlagenden Sexte e ist kaum zu greifen: Wenn man ihn als Barrégriff nimmt, und das e mit dem vierten Finger auf der A-Saite erreichen möchte, braucht man sehr große und flexible Hände (ich schaffe das nicht).
Greift man die Akkordtöne mit den Fingern 1,4,3,2 (von unten nach oben), muss man das e mit dem ersten Finger auf der d-Saite greifen und dafür das tiefe G loslassen.

B-Dur geht nicht

Der B-Dur-Akkord als Trugschlussauflösung am Ende ist wohl zu spielen (mit 3,2,1,4 greifen), aber wehe, man spielt die gleiche Verbindung in einer tiefen Lage, wenn man die Modulation transponiert!

Es 56 geht nicht

Hier darf man den Es56 mit den Fingern 4,3,2,1 in den Bünden 6,5,3,1 greifen - wer das locker hinbekommt ist von der Natur reich beschenkt worden! Ich würde das g opfern, es und c mit Barré im 1. Bund und das b auf der g-Saite greifen. Dann fehlt zwar die Terz, aber die Quintsext-Dissonanz bleibt erhalten.

D-Moll geht nicht

Ein Klassiker unter den miesen Griffen: der D-Moll Akkord lässt sich am Anfang eines Stückes so vielleicht hinstellen, aber mitten im Stück hindert er doch den Spielfluss enorm. Ich lasse das a weg und greife Barré im 3. Bund.
Dafür ist der B-Dur-Akkord am Schluss zwar ungewohnt, aber erstaunlich bequem mit 4,3,1,1 (Barré) zu greifen, er geht auch mit 3,2,1,4 - dann greift man das hohe d auf der g-Saite.

Man muss also viele Kompromisse eingehen, wenn man die Beispiele auf der Gitarre probieren möchte. Dafür sind Transpositionen von Akkordfolgen, die ohne Leersaiten auskommen manchmal erstaunlich einfach! Wo der Klavierspieler über Griffe grübelt, etwa wenn er C-Dur (drei weiße Tasten) nach Des-Dur (schwarz-weiß-schwarz) verändert, schiebt der Gitarrist den Barrégriff einfach einen Bund höher.